„VW Abgasskandal – LG Zwickau entscheidet zugunsten eines BVfK-Händlers“
BVfK-Vertragsanwalt Martin Hake erstreitet positives Urteil im Abgasskandal
Das LG Zwickau hat mit seinem Urteil vom 19.10.2017 in Bezug auf den VW-Abgasskandal klargestellt, dass ein freier KfZ-Händler nicht verpflichtet werden kann, im Rahmen der Nachbesserung ein mangelfreies Neufahrzeug zu liefern.
In dem zugrunde liegenden Fall erwarb der Käufer von einem BVfK-Händler am 19.02.2015 einen neuen Audi Q3. Im Zuge der Abgasmanipulation forderte der Käufer den Händler auf, einen „nach den aktuellen Vorschriften zulassungsfähigen, mangelfreien und vertragsgemäßen Neuwagen“ zu liefern. Gleichzeitig erhob er den Vorwurf einer arglistigen Täuschung. Da der Händler dieses Begehren zurück wies und eine Einigung nicht erzielt werden konnte, erhob der Käufer eine Klage vor dem LG Zwickau.
Die Klage hatte keinen Erfolg. In den Entscheidungsgründen heißt es u.a.:
„Ein Fahrzeug aus der aktuellen Produktion kann der Kläger nicht verlangen. Es wird nicht verkannt, dass durchaus noch Pkw des Typs Audi Q3 mit Turbodieselmotoren hergestellt werden und dass diese Fahrzeuge trotz zwischenzeitlicher erfolgter Modellpflegemaßnahmen keiner gänzlich neuen Fahrzeuggeneration angehören. Die Fahrzeuge aus aktueller Produktion gehören nicht mehr derselben Gattung an wie das streitgegenständliche Fahrzeug.
Es mag sein, dass diese Abweichungen auf den ersten Blick unbedeutend wirken. Demnach handelt sich hierbei nicht nur um eine bloße Überarbeitung des in der Bestellung genannten Motors, sondern um eine gänzlich neue entwickelte Baureihe. Da in der Bestellung ausdrücklich eine konkrete Motorisierung genannt ist, diese aber so nicht mehr hergestellt wird, ist die begehrte Lieferung eines Neufahrzeugs der vereinbarten Gattung objektiv dauerhaft nicht mehr möglich. Der Kläger kann sich daher insoweit nicht darauf berufen, dass der Audi Q3 aus der aktuellen Produktion den allgemeinen Wahrnehmungen nach noch als dasselbe Modell wie das bestellte Fahrzeug angesehen werde.
Die Versagung der Ersatzlieferung eines Fahrzeugs aus der aktuellen Produktion erscheint im Ergebnis auch nicht unbillig. Es ist ein gefestigter Grundsatz des Deutschen Zivilrechts, im Rahmen des Gewährleistungs – und Schadensersatzrechtes möglich genau den Zustand herzustellen, der geherrscht hätte, wenn sich die andere Seite von Anfang an vertragstreu verhalten hätte. Hätte der Kläger daher im Jahre 2015 ein Fahrzeug ohne Software Manipulation erhalten, welches exakt seiner Bestellung entsprochen hätte, so wäre dies ein Audi Q3 mit der Abgasnorm Euro 5 und entsprechenden Leistungsdaten gewesen nicht aber ein Audi Q3 aus der überarbeiteten Produktion des Jahres 2017.
Der Kläger würde im Falle der von Ihm begehrten Ersatzlieferung als erheblich besser gestellt als im Falle der ursprünglichen Lieferung eines mangelfreien Freizeit wie bestellt. Die Einhaltung der Abgasnorm Euro 6 ist die Beklagte dem Kläger aber nicht schuldig“.
(LG Zwickau, Urt. v. 19.10.2017)
BVfK Anmerkung:
Die Entscheidung des LG Zwickau ist begrüßenswert. Denn seit Aufkommen des Skandals entschieden die angerufenen Gerichte bundesweit in jüngster Zeit in vielen Verfahren zugunsten der klagenden Käufer.
Wohlmöglich hätte das Gericht anders entschieden, wenn der Käufer auf Rücktritt bzw. Minderung geklagt hätte. Dies vor allem vor dem Hintergrund, da das Gericht die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs aufgrund der Abgasmanipulation bejaht hat.
Moritz Gross
BVfK-Rechtsabteilung
Grenzüberschreitender Handel: EU plant endgültiges Mehrwertsteuersystem.
Unternehmergeschäfte zukünftig brutto entsprechend der Steuersätze im Bestimmungsland.
Jedes Jahr entgehen den EU-Mitgliedstaaten laut Berechnung der EU-Kommission mehr als 150 Milliarden Euro bei der Mehrwertsteuer, davon allein 50 Milliarden Euro durch den grenzüberschreitenden Betrug. Der groß angelegte Steuerbetrug wird durch eine Ausnahmeregelung im europäischen Umsatzsteuerrecht nahezu provoziert: Denn bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist der Verkäufer nicht wie sonst dazu verpflichtet, dem Käufer Umsatzsteuer zu berechnen, diese einzuziehen und an das Finanzamt abzuführen. Findige Ganoven haben diese Schwachstelle im derzeitigen - seinerzeit als Übergangslösung gedachten - Mehrwertsteuersystem längst erkannt und sich zunutze gemacht. Sie erwerben steuerfrei und somit günstig Ware im EU-Ausland und verkaufen sie sodann unter Aufschlag von Umsatzsteuer im Inland weiter. Die eingenommene Umsatzsteuer wird aber nicht an den Fiskus abgeführt. Sog. Umsatzsteuerkarusselle sind mittlerweile hochprofessionell ausgestaltet und für die zuständigen Finanzbehörden nur schwer zu greifen, obwohl die Vorgehensweise der Betrüger hinreichend bekannt ist.
Nachdem die EU-Kommission jahrelang zwar den Handlungsbedarf bei der Mehrwertsteuer erkannte, die Verluste jedoch offenbar sehenden Auges in Kauf nahm, scheint nun Bewegung in die Angelegenheit zu kommen. Anfang Oktober hat die Kommission ihre Vorschläge für eine umfassende Reform des Mehrwertsteuersystems in Europa vorgestellt. Kerngedanke ist hierbei, den Handel mit Waren über EU-Binnengrenzen hinweg grundsätzlich genauso zu besteuern wie den Handel innerhalb eines Mitgliedsstaates. Diese Gleichstellung soll durch eine Verankerung des Bestimmungslandprinzips erreicht werden.
Nach der Vorstellung der Kommission sollen innergemeinschaftliche Lieferungen künftig nach den Regelungen des Bestimmungslands der Ware steuerpflichtig sein. Steuerschuldner dieser Lieferungen wäre allein der Lieferer. Dieser wäre verpflichtet, die Umsatzsteuer unter Anwendung des im jeweiligen Bestimmungsmitgliedsstaat geltenden Umsatzsteuersatzes in Rechnung zu stellen. Der Umsatzsteuersatz soll online über ein Webportal ermittelt werden können. Für die Begleichung der Steuerschuld soll eine spezielle Anlaufstelle eingerichtet werden. In diesem Zusammenhang will die Kommission auch eine Zertifizierung der Zuverlässigkeit der Unternehmer vornehmen. Zertifizierte Unternehmen sollen von bestimmten Vereinfachungsregelungen profitieren.
Die Kommission verspricht sich von der Reform eine Reduzierung des grenzüberschreitenden Betrugs um 80 Prozent. Zudem sollen Unternehmer von unnötiger Bürokratie befreit werden, u. a. durch einfachere Vorschriften für das Erstellen von Rechnungen.
Bevor die Vorschläge der Kommission umgesetzt werden können, muss der Rat nach Anhörung des Parlaments zustimmen. Es ist jedoch unsicher, ob sich alle Mitgliedsstaaten damit abfinden können. Denn die vorgesehene Regelung erfordert Vertrauen in die anderen Mitgliedsstaaten. Nicht zuletzt auch bei der geplanten Zertifizierung: Länder wie Deutschland, welche die Zertifizierung womöglich strenger handhaben werden, werden gleichwohl die Zertifizierung anderer Länder, welche die Kriterien weniger streng anwenden, akzeptieren müssen.
Der BVfK hatte schon vor Jahren im Steuerskandal auf die Missstände im europäischen Mehrwertsteuersystem hingewiesen und seinerzeit bereits über die Verankerung des Bestimmungslandprinzips diskutiert. Die aktuelle Entwicklung ist für den BVfK daher längst überfällig. Zumal nicht nur der Staatskasse erhebliche Einnahmen fehlen. Auch der redliche Unternehmer leidet unter der Praxis der Umsatzsteuerkarusselle. Die Waren werden hierbei oftmals künstlich verbilligt, so dass zwangsläufig auch der ursprüngliche Marktpreis sinkt. Diese Wettbewerbsverzerrung bedeutet für die steuerehrlichen Unternehmer mitunter empfindliche Umsatzeinbußen.
Stefan Obert
BVfK-Rechtsabteilung
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